Mein Traum wurde wahr

UNTERNEHMENSGRÜNDER EGON ERNST

 

1970 gründete Egon Ernst das Unternehmen – mit 75 Jahren trat er 2009 in den Ruhestand.
Anlässlich seines 90. Geburtstags wurde diese Info-Tafel aufgestellt. Sie gibt anhand eines Interviews Einblicke in die Anfangszeit des Betriebs und die Unternehmensentwicklung über fünf Jahrzehnte aus Sicht des Unternehmensgründers.

 

Wie geht es Ihnen, wenn Sie auf Ihr Lebenswerk schauen?
Wie sehen Sie das Unternehmen aus dem Ruhestand betrachtet?
Als ich 2009 als Geschäftsführer in den Ruhestand ging, wollte ich die Alltagstätigkeit aufgeben. Die Nachfolgeregelung war langfristig vorbereitet und es gab keine Probleme mit der Abgabe von Verantwortung. Aber die im Laufe von 40 Jahren erworbenen Kenntnisse und den Instinkt verliert man im Ruhestand nicht. Nach dem Rückzug aus der Geschäftsführung übte ich als Beirat noch bis Ende 2022 eine beratende Funktion aus – besonders bei strategischen Entscheidungen.

Meine Ehefrau und ich dürfen den Ruhestand in guter körperlicher und geistiger Verfassung genießen. Dafür sind wir sehr dankbar. Mit dem Blick von außen freuen wir uns sehr über die positiven Entwicklungen im Unternehmen. Wir leiden aber auch mit bei negativen Erscheinungen.

 

Wie sehen Sie die Entwicklung Ihres Unternehmens rückblickend?
Hatten Sie die Entwicklung so erwartet, erhofft, erträumt?
Mein Traum war es von jeher, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Es ergab sich ein glücklicher Umstand, sodass es von den Räumlichkeiten her möglich wurde. Der gemeinsame Entschluss mit meiner Ehefrau, ein Unternehmen zu gründen, war ein gewagter Schritt, denn die Familie mit den Kindern musste ja sozial abgesichert werden. Der Start des Unternehmens im Dezember 1970 mit einem Mitarbeiter war in räumlich beengten Verhältnissen. Geschäftszweck war die Herstellung von Werkzeugen und Vorrichtungen.

An eine positive erfolgreiche Entwicklung habe ich von Anfang an geglaubt. Ich war überzeugt, dass ich das kann – trotz der anfangs bescheidenen technischen Einrichtungen. Meine bereits bestehenden Verbindungen zu möglichen Kunden kamen mir zugute.

Die damaligen ersten Kunden und Mitarbeiter gaben mir einen Vertrauensvorschuss und haben an mich geglaubt. Vor allem für die Mitarbeiter war es ja auch ein Risiko, in ein neu gegründetes Kleinunternehmen einzutreten. Nach ca. drei Jahren hatte das Unternehmen 16 Mitarbeitende, was uns in der eingeschlagenen Richtung bestätigte. Trotz der erfolgreichen ersten Jahre gibt es auch Erinnerungen daran, dass man nach der anfänglichen Begeisterung schnell von der Realität eingeholt werden kann. Die ersten Jahre erfordern einen immensen Einsatz von Investitionskapital für zeitgemäße Produktionsmaschinen. Kapital, das ich zum damaligen Zeitpunkt nicht hatte.

Die Entwicklung zum Industriebetrieb erfordert ein konsequentes Planen von Investitionen, den individuellen betrieblichen Möglichkeiten entsprechend. Die Banken haben mich zum damaligen Zeitpunkt verständnisvoll begleitet. Dies wäre heute in dieser Art und in diesem Umfang fraglich.

 

Was waren Ihre wichtigsten Erfolgsfaktoren?
Mitentscheidend war, dass ich fundierte praktische und theoretische Fachkenntnisse in der spanlosen Formung hatte. Dies waren unerlässliche Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Betriebs-gründung. Zusätzlich habe ich mir besonders in den Anfangsjahren betriebswirtschaftliches Fachwissen in allen Bereichen angeeignet.

Von Anfang an wurde Wert auf eine Facharbeiterausbildung der Beschäftigten und auf die im eigenen Betrieb durchgeführte Ausbildung junger Menschen gelegt. Noch heute sind leistungsfähige Mitarbeiter im Unternehmen, die bei ERNST ihre Ausbildung absolviert haben. Die Mitarbeiter waren zu jeder Zeit ein entscheidender Faktor für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Unternehmens. Ihr Know-how und ihre Weiterbildung sind besonders wichtig, da technisches Wissen oft deutlich weniger als zehn Jahre Bestand hat.

Investitionen wurden immer nach Möglichkeiten der Finanzkraft getätigt. Ein weiterer wichtiger positiver Faktor war, dass wir keine Forderungsausfälle hatten. Gerade für die Anfangsjahre war das ein entscheidender Umstand.

Die Gründungen unserer Auslandstöchter in Frankreich, den USA und China waren trotz der enormen finanziellen Herausforderung ein Garant für die Unabhängigkeit vom deutschen Markt – und sind es bis heute. Wir haben kontinuierlich in neue Verfahrenstechnik sowie moderne Produktionsmaschinen investiert.

 

Gibt es etwas, was Sie aus heutiger Sicht grundsätzlich anders machen würden?
Das ist eine schwierige Frage. Die Unternehmensentwicklung zeigt, dass wir den richtigen Weg verfolgt haben.

Der Unterschied von damals zu heute ist, dass der Einstieg heute wesentlich schwieriger sein würde. Die immensen Finanzmittel, die notwendig sind, kann ein Existenzgründer in der Form nicht schultern. Ebenso wäre es ein großes Problem, die technologische Anerkennung bei potenziellen Abnehmern zu finden.

 

Können Sie die Unternehmensentwicklung heute entspannt von außen verfolgen? Oder würden Sie am liebsten immer
noch mitmischen?

Fünf Jahre nach der Unternehmensgründung – wir waren ca. 20 Mitarbeiter – war ich aufgrund einer Viruserkrankung vier Wochen arbeitsunfähig. Das war eine schlimme Zeit. Damals habe ich die Überzeugung gewonnen, dass das Unternehmen jederzeit auch ohne mein Zutun funktionsfähig sein soll. Dieser Leitsatz galt auch in späteren Jahren. Schon lange vor meinem Rückzug aus der aktiven Geschäftsführung habe ich meine Nachfolge geplant.

Den kaufmännischen Bereich übernahm mein Sohn Matthias Ernst; für den technischen Bereich inkl. Produktion und Vertrieb wurde Mitgesellschafter Herbert Gieringer verantwortlich. Später ist auch meine Tochter Simone Ernst-Patsch als Personalleiterin dazu gekommen. Die Aufgaben im oberen und mittleren Management werden von einem kompetenten und verlässlichen Team erledigt.

Als Gesellschafter war ich in der Funktion des Beirats gerne bis Ende 2022 beratend tätig. Ein modernes Berichtswesen ermöglicht mir bis heute die entspannte Verfolgung der Unternehmensentwicklung von außen.

 

Was wünschen Sie sich für Ihr Unternehmen?
Ein Industrieunternehmen sollte nach mehr als 50 Jahren Firmengeschichte sowohl technologisch wie auch organisatorisch eine Führungsposition einnehmen.

Die Lieferanten-Kundenbeziehungen sind aufgrund des hohen globalen Kostendrucks nicht einfacher geworden. Da würde ich mir etwas Entspannung und die Anerkennung und Würdigung des technologischen Potenzials wünschen. Das Unternehmen hat es verdient, eine Spitzenposition unter den Zulieferern einzunehmen.

Das Verhältnis zu Banken ist geprägt von der Ertragsstärke. Jeder Euro an Eigenmitteln stärkt unsere Position gegenüber den Banken. Das Potenzial im Bereich Kostenminimierung muss zur Verbesserung der Ertragsstärke kontinuierlich ausgebaut werden.

 

Gibt es etwas, das Sie den heutigen Entscheidern und Mitarbeitern mit auf den Weg geben möchten?
Die Entscheider sollen bei strategischen technologischen Veränderungen auch die Standorterhaltung im Auge behalten. Wir haben Beschäftigte, die mehr als 30 Jahre im Unternehmen tätig sind. Ihnen gegenüber haben wir eine Verpflichtung. Investitionen in neue Produkte und Technologien müssen mit Risikobewusstsein entschieden werden und dürfen nicht realitätsfern sein. Liquidität im Unternehmen ist alles. Das Unternehmen muss in jeder Situation – auch in Krisenzeiten – liquide sein. Der vor 30 Jahren festgelegte Liquiditätsgrad gilt deshalb bis heute.

Den Beschäftigten wünsche ich, dass sie – wie in der Vergangenheit – die notwendigen Veränderungen vertrauensvoll mittragen.

 

Wenn Sie heute noch einmal jung wären: Würden Sie wieder ein eigenes Unternehmen gründen?
Diese Frage kann ich mit einem uneingeschränkten „Ja“ beantworten. Der Wunsch zur Selbstständigkeit ist eine Wesensfrage und würde sich auch bei Enttäuschungen im Wesentlichen nicht ändern.

Zu bedenken wäre allerdings, dass der Einstieg in die Selbstständigkeit bzw. der Aufstieg vom Handwerksbetrieb zum Industrieunternehmen in der heutigen Zeit nicht mehr mit den Möglichkeiten, die es Anfang der 1970er Jahre noch gab, vergleichbar ist. Die Anerkennung und Qualifizierung als Lieferant größerer Kunden ist heute ein sehr viel schwierigerer Prozess, der mehrere Jahre dauert. Solche Geschäftsbeziehungen müssen mit viel Vertrauen aufgebaut werden.

 

Sie haben ein sehr erfolgreiches Unternehmen aufgebaut. Was würden Sie heutigen Gründern empfehlen?
Selbstständigkeit hat für junge Menschen einen besonderen Reiz. Der Schritt ist aber mit großen Risiken behaftet. Es sind so viele Dinge zu regeln und zu klären – von notariellen Einträgen, Gesellschafterverträgen etc. bis hin zur Finanzierung des Unternehmens. All diese Dinge können mehrere Monate dauern.

Zu meiner Zeit war es noch einfach: Meine Gewerbeanmeldung war ein doppelseitiges DIN-A4-Blatt, das ich bei der Gemeindeverwaltung abgegeben hab. Nach fünf Minuten war das Unternehmen angemeldet. Wichtig und gut zu überlegen ist, welche Gesellschaftsform gewählt werden soll – z. B. zur Absicherung der Familie. Und es muss im Vorfeld die Frage geklärt sein, ob ich überhaupt die notwendige technische und kaufmännische Qualifikation habe, um ein Unternehmen zu gründen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist eine sichere Finanzierung gerade in den Anfangsjahren. Kann ein eventueller Forderungsausfall verkraftet werden? Habe ich Banken, die mich in allen Lagen unterstützen? Hier liegen meine größten Zweifel für eine Gründung in der heutigen Zeit. Staatliche Existenzgründerhilfen sind nicht unbedingt eine ideale Lösung. Hier habe ich negative Erfahrungen gemacht.

Eine wichtige Frage, die man im Vorfeld klären muss, ist: Wie komme ich an Aufträge? Habe ich bereits Verbindungen zu möglichen Abnehmern? Ein Netzwerk bzw. Kontakte zu erfahrenen Unternehmern können hier in der der Startphase sehr hilfreich sein.

Besteht nach einer genauen Risikoanalyse immer noch der Wunsch nach der Selbstständigkeit, dann würde ich sagen: „Lass‘ Dich darauf ein und mach‘ Deine Träume wahr!“

 

„Ein glücklicher Umstand machte meinen Traum möglich.“

„Die Mitarbeiter waren zu jeder Zeit ein entscheidender Faktor für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Unternehmens.“

„Das Unternehmen hat es verdient, eine Spitzenposition unter den Zulieferern einzunehmen.“

 

Oberkirch-Zusenhofen, im Januar 2024